Stoffel und Erni üben sich in politischer Meinungsbildung

Stoffel und Erni tragen ein Licht ins Chaos der bevorstehenden Abstimmung zum Verhüllungsverbot. Es sei anachronistisch, ausgerechnet zum jetzigen Zeitpunkt für Verhüllungsverbote zu reden, wenn man amtlich auferlegt, der Maskentragpflicht nachkommen müsse.

Mit «Maske oder nicht Maske, das ist die Frage hier, » hatte Erni seine wie immer eloquent verfasste Einladungsmail an Stoffel und mich eröffnet. Er benötige für die bevorstehende Abstimmung unbedingt etwas Coaching, gestand er uns weiter in dem Schreiben. Die Abstimmung stecke aus seiner Sicht im analytischen Dilemma, in einem etwas komplizierten Umfeld und biete viel Zündstoff für Missverständnisse. Er hoffe, wir würden für den heutigen Abend eine halbe Stunde erübrigen können, um telefonisch darüber zu sprechen. Ob 20.30 Uhr recht sei? Er freue sich auf eine anregende Unterhaltung.

Aus dem Telefonmeeting wurde nun schlussendlich eine Videokonferenz, was, wie ich der Meinung war, wesentlich mehr Spass versprach, als ein blosses Akkustikspektakel. «An sich begrüsse ich diese Abstimmung für den 7. März, » eröffnete Stoffel den Meinungsreigen. Gleichzeitig müsse man doch aber auch ins Feld führen, das mit dem von der Initiative angestrebten «Verhüllungsverbot» in verschiedenste und wenig zusammenhängende Richtungen geschossen werde. «Einige davon halte auch ich für höchst problematisch, » gab ich, mich dazwischenschaltend, zu bedenken. «Genau, » nahm Erni meine vorgelegte Spur auf: «Ich frage mich beispielsweise, was die Nutzung des öffentlichen Raums mit Kleiderwahl zu tun hat. » Dem Staat könne doch egal sein, wie seine Bürger sich kleiden.

«Nun, man will erreichen, dass schräge Figuren wie du, gesetzlich daran gehindert werden können, in Badekleidung den Marktplatz zu überqueren, » bellte Stoffel angriffig ins Mikrophon, dass es nur so schepperte in meinem Kopfhörer. Das nenne man aktiven Kinderschutz, doppelte er nach. «Stell dir das Trauma vor, welches einem jungen Menschen da widerfährt, der dich in Badekleidung ansehen muss. » Ich musste bei der Vorstellung lauthals lachen. Erni hingegen fand das ganz und gar nicht komisch und verlor für einen Moment seine Fassung. Es sei nicht Aufgabe des Bundes, die Kleiderwahl für den Ausgang zu bestimmen, wiederholte er. Es genüge, wenn der Kanton dazu alle Befugnisse besitzt, so wie das ohnehin schon geregelt sei. «Der Abstimmungspunkt ist meiner Meinung nach überflüssig. » Und etwas verärgert zu Stoffel gewandt: «Und da ich ohnehin selten baden gehe, ist dein Einwand einfach nur unpassend und beleidigend. » Ja bekräftigte ich und zudem möchte ich ihn zur Schonung unseres Gehörs bitten, etwas leiser zu sprechen, seine Stimme scheppere im Kopfhörer und schmerze.

Es sei doch wichtig, zu regeln, ob man vermummt, verhüllt und bis zur Unkenntlichkeit verkleidet an Sportanlässe gehe oder an Demonstrationen teilnehme, nahm Stoffel das Gespräch wieder auf. «Bevor wir darauf eingehen, Erni und ich, möchte ich dich fragen, ob dir eigentlich bewusst ist, dass der Bundesrat sich gegen das Verhüllungsverbot ausgesprochen hat. » «Klar doch, » nickte Stoffel.

«Wie ich unsere politische Obrigkeit aber einschätze, » liess Erni mit Augenzwinkern vernehmen, sei dies zu Zeiten von Corona kein besonders gewichtiges Argument. Der Bund selbst habe uns doch die Maskenpflicht auferlegt. Und Sportanlässe fänden ohne Publikum statt und bei Demonstrationen sei der Grundtenor ja ohnehin schon so, «lieber keine als auch nur eine (Maske), » reimte er. Der Geheimpolizei falle es dann leichter, Teilnehmende zu identifizieren. «Je nun, mit Poesie gewinnst du aber keine Abstimmungen, » wandte Stoffel dagegen ein. Weiter argumentierte er, er halte es diesbezüglich mit den Initianten: Da müsse nur irgendwann bei einem Fussballspiel eine Bombe hochgehen und schon kippe das Stimmungsbarometer ins Gegenteil um: «Ein klares Ja im Wortlaut des Initiativtexts Ja zum Verhüllungsverbot und zu Verkleidung, man kann ja nicht wissen, was diese Rechtsextremen und terroristisch veranlagten Clowns und Fasnachtsgänger unter ihren bunten Röcken alles an scharfer Munition mit sich tragen. »

Es gehe doch hier in erster Linie um Gesichtsverhüllung, wandte Erni ein. «Ja schon, » pflichtete ich ihm bei. Dennoch würden solche Gesetzestexte in der Regel dann so allgemein gehalten, dass der Schritt von der Gesichtsverhüllung zur Körperkleidung kein grosser sei.

«Schon stecken wir mitten drin im Dilemma, » ereiferte sich Erni. «Habt ihr den Begleittext zur Abstimmung vom Bundesrat gelesen? » Da stehe wortwörtlich: «Ausserdem macht sich strafbar, wer eine Person zwingt, ihr Gesicht zu verhüllen. Das ist nach schweizerischem Recht eine Nötigung. » «Na dann frage ich mich doch, wie es kommt, dass man uns frei frank dazu verdonnern darf, Masken zu tragen. Der Bundesrat verstösst damit gegen seine eigene Devise. »

«Das sind ausserordentliche Massnahmen in einer ausserordentlichen Situation,» ereiferte sich Stoffel. Das dürfe man nicht vergleichen. «Ich weiss, wir sprechen hier jetzt nicht über die Pandemiemassnahmen, aber ehrlich, diese sogenannt ausserordentliche Situation kann mit Fug und Recht mittlerweile als Dauersituation bezeichnet werden, » stellte ich mich auf Ernis Seite.

Da draussen wüte ja noch die Pandemie, warf Erni dazwischen. «Oh ja, und was für eine schreckliche Pandemie, » lästerte Stoffel. «Mittlerweile haben sich sogar schon ausserirdische Mutanten in das Geschehen eingemischt. » «Du weisst aber schon, dass nicht solche Mutanten gemeint sind, » berichtigte ihn Erni.

Der Bundesrat brauche doch nachträglich noch eine Rechtfertigung für seine Massnahmen der letzten Monate, da komme ihm diese Initiative gerade richtig, reizte ich Erni. «Ja doch gewiss, du Drösel, » konterte Erni. «Die Initiative ist doch zu einem Zeitpunkt entstanden, als das Coronavirus in Wuhan noch gar nichts von seiner eigenen Existenz wusste. » «Da gebe ich dir recht, » gestand ich Erni zu, «aber Zufälle geschehen, und in diesem Zusammenhang passt das der Obrigkeit selbst geschenksweise ins Konzept. »

Der Bundesrat brauche doch nachträglich noch eine Rechtfertigung für seine Massnahmen der letzten Monate, da komme ihm diese Initiative gerade richtig, reizte ich Erni. «Ja doch gewiss, du Drösel, » konterte Erni. «Die Initiative ist doch zu einem Zeitpunkt entstanden, als das Coronavirus in Wuhan noch gar nichts von seiner eigenen Existenz wusste. » «Da gebe ich dir recht, » gestand ich Erni zu, «aber Zufälle geschehen, und in diesem Zusammenhang passt das der Obrigkeit selbst geschenksweise noch ins Konzept. »

Das sei doch ganz grosser Blödsinn, worüber wir hier sprächen, geriet Stoffel in Rage. Der Bundesrat sei ja gegen diese Initiative. «Du Rick, was bist du doch für ein ignoranter Esel, » schloss er: «hast mir das doch eben selbst in Erinnerung gerufen. » «Wow, der hat gesessen, » verneigte ich mich anerkennend am Bildschirm vor ihm. Es sei mir schon klar, dass die Initiative im antiislamischen Umfeld entstanden sei. Gleichwohl, und darauf hätte ich hinweisen wollen, «sind damit viele andere Belange des gesellschaftlichen Lebens eben mitbetroffen. Die Zeit bleibt nicht stehen. Die Dinge verändern sich laufend und gewinnen durch solche Veränderungen an neuen Aspekten und Qualitäten und verlieren im Gegenzug in andern Belangen an Dringlichkeit. Das musst du mir doch eingestehen, » fragte ich Stoffel.

«Schluss jetzt mit dieser kuschligen Nettikettenrunde, » fiel Erni dazwischen: «Meines Erachtens habt ihr ja beide recht. Die Initianten argumentieren in beide Richtungen. Zum einen sprechen sie von Unterdrückung der Frau im Islam, zum andern ziehen sie mächtig am Register Terror ihrer Meinung- und Stimmungsorgel. » Seiner Ansicht nach, hätte man in diesem Zusammenhang deutlichere Kontraste setzen müssen, man könne nicht Äpfel und Birnen vermischen. Ein interkulturelles Gespräch zum islamischen Verhüllungsgebot sei das eine, das Not täte, eine untergeschobene Antiterrormassnahme als Verhüllungsverbot zu deklarieren, sei das andere, was so nicht passe.

Ja, und da sei es doch geradezu wunderlich passend, dass wir als Stimmvolk, das seit Monaten unter der Distanz und dem Maskenobligatorium leiden, den Kanal voll haben und endlich wieder frei Durchatmen wollen. «Du weisst nicht, wovon du sprichst, » warf Stoffel dazwischen: «soweit ich mich erinnern kann, habe ich dich noch nie mit Maske gesehen, wenn es darauf ankam. Man sollte dich denunzieren! » Ich ignorierte ihn und argumentierte: In dieser Gemütsverfassung sei doch verständlich, dass man sich gegen ein Vermummungsverbot ausspreche. «Der Rick übertreibt wie immer, » wandte sich Stoffel an Erni. «Das Abstimmungsresultat wird es an den Tag fördern, » antworte Erni ausweichend.

«Jungs, wir bewegen uns da auf hauchdünnem Eis und schlagen hasenmässige Zickzackpfade an, » versuchte Erni das Gespräch noch einmal zu bündeln und unsere Aufmerksamkeit fordernd zu fokussieren. Er wisse jetzt immer noch nicht, wie er abstimmen solle. «Viel geholfen habt ihr mir mit euren Streitereien bisher nicht. Und ich frage mich, ob ihr hier überhaupt über die notwendige Reife verfügt, euch zu einer klaren Meinungsbildung durchzumausern.»

«Hör dir den Fiesling an, » wandte sich Stoffel diesmal nun an mich. «Wenn es nach mir ginge, so bräuchten wir für Erni ganz klar ein Gesetzt zur allgemeinen Leinenpflicht, oder wenigstens eine kantonale Regelung dazu. Und selbst das Tragen eines Maulkorbs wäre da noch angebracht. » «Ach du sagst es ja selbst, Erni ist ein harter Hund, der sich schnell in etwas verbeisst. Leine ist da nicht zwingend, » gab ich ihm schmunzelnd zur Antwort: «Gib ihm einen saftigen Knochen, der regelt das Problem genau so einfach. » «Schlechte Idee, » konterte Stoffel, «eine Leine sei mittelfristige günstiger zu kaufen als wiederholte Ausgaben für Knochen einzukalkulieren. »

«Wenn ihr jetzt nicht augenblicklich auf die Spur zurückfindet, dann ist hier Schluss mit Lustig. Ich verspüre keinen Antrieb dazu, mit euch Holköpfen auf diese unprofessionelle Weise zu politisieren, » erboste sich nun Erni. «Ihr seid wie animalische Leichenfledderer und Aasgeier, kaum seht ihr eine günstige Gelegenheit, schon stürzt ihr euch kreischend auf die Schwachstelle, » ärgerte er sich. «Da siehst du, was für zwei liebenswürdige Charmebolzen wir doch sind, » gab ihm Stoffel mit säuselnder Stimme zurück.

Erni ignorierte ihn: Es sei doch egal, ob hier eine Initiative zeitbedingt mit Terror, Islam und Pandemie korreliere. Es müsse doch möglich sein, unter dem Aspekt, wenige Gesetze sind besser als keines, und auch ökonomischer als zuviele, eine klare Meinung zu vertreten. Und für ihn sei klar, Ja zum Verhüllungsverbot erweise sich als unökonomisch, als ein Gesetz zu viel. «Siehst du Erni, bravo, jetzt haben wir dir, wie schön, doch noch zu einer eigenen Meinung verholfen. Nun weisst du ja, wie du anfangs März abstimmen willst, » kam ich ihm entgegen.

«Bild dir bloss nichts darauf ein, » beruhigte sich Erni ein wenig. «Ihr habt da inhaltlich wenig dazu beigetragen. » Das sei doch unwichtig, meldete sich nun auch Stoffel wieder zurück. «Du weisst jetzt, was du abstimmen willst. Und auch ich habe mich nach anfänglichen Bedenken nun dazu durchgerungen, dem Bundesrat mit einem Nein zu folgen, nicht zuletzt auch deswegen, um Erni nicht als Freund zu verlieren. » Erni konnte sich ein Grinsen nun doch nicht verkneifen, er sei wirklich ein Musterdemokrat, schwach und gehorsam – aber rührend. » Dann wandte er sich an mich: «Und du Rick, willst du mit uns befreundet bleiben oder begibst du dich ins politische Exil? »

«Um euch Komiker und eure Meinung geht es mir nicht. Aber klar, ein Nein entspricht auch meiner Überzeugung. Wenngleich mir auch wichtig wäre, dass es bald Verboten sein wird, mit Maske verhüllt herumzulaufen, frei nach dem Motto: Gebt dem verdammten Virus keine Chance sich weiter zu verstecken. »

«Kurz und heftig, » fasste Stoffel zusammen: «Wenn das nicht Effizienz und politische Meinungsbildung in Perfektion sind! Eigentlich sollten wir uns bei nächster Gelegenheit zur Wahl für ein öffentliches Amt stellen. » «Überlass das den jungen Menschen, » meinte Erni erschrocken. «Au ja, » frozelte Stoffel bereits wieder engagiert darauf los: «Denn sonst stimmen wir in Kürze nur noch über unsinnige und unstimmige Vorschläge und Massnahmen zum Klima ab. » Das wolle er bestimmt. Da bestehe aber auch kein Anlass und keine Gefahr bei dem vielen Schnee und der Kälte da draussen, gab ich ihm zu bedenken. «Sei dir da bloss nicht zu sicher, » meinte Stoffel zu mir: «Findet der Winter nicht statt, dann ist das ein klares Signal für die aufkommende Klimakatastrophe; und ist es kalt und liegt viel Schnee draussen, dann sind das Extreme, die klar und deutlich darauf hinwiesen, dass der Winter eine Erderwärmung im Schlepptau mit sich führt – also wiederum Hinweise auf die nahende klimatische Apokalypse. » «Es reicht, Stoffel, » beteiligte sich nun auch Erni am Gespräch. Das sei zwar ein weites aber ganz anderes Feld. Zu gegebener Zeit könne man sich gerne auch darüber mal unterhalten. Nach den eben gemachten Erfahrungen zweifle er im Moment noch daran, ob es sinnvoll wäre, mit uns beiden nochmals politische Diskussionen zu führen.

Was er bloss habe, Demokratie sei ein tolle Sache, jedem Lümmel, Dummkopf und Ignoranten werde zugestanden, seinen Senf zur Meinungsbildung beizutragen. Das sei doch ganz lustig und sei ein Versprechen für die Gesprächskultur in unserem Land, noch für viele kabarettistische Einlagen zu sorgen, hielt Stoffel dafür.

«Hei Jungs, was haltet ihr davon, wenn wir diese Runde wiederholen und morgen oder übermorgen über die Digitalisierung unserer lieben Schweiz sprechen, » fragte ich gespannt. Ihm passe es am kommenden Sonntag abend, antwortete Erni erfreut. Na dann will ich mal nicht so sein, » meinte Stoffel, «am Sonntag abend, gleiche Zeit bin ich wieder mit dabei. » «Over and out, » schloss ich, und klinkte mich erleichtert aus dem chaotisch und anstrengend abgelaufenen Meeting aus.

Veröffentlicht von Proteus on fire

Freischaffender Feuilletonist

Ein Kommentar zu “Stoffel und Erni üben sich in politischer Meinungsbildung

  1. Ein witziger Beitrag zur politischen Meinungsbildung. Aber was will der Autor denn damit sagen, wenn seine Helden so voll und einstimmig zum verkehrten Ergebnis kommen? Logisch wäre doch der Schluss: Drei mal Ja zum Verhüllungsverbot!! Damit hätte man in Einem Nein gesagt zu der blödsinnigen Maskenpflicht, zur Unterdrückung der Frauen und zum Terrorismus. Was sollte daran falsch sein?

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