Veni Covidi Vici

Ich lebe mit der Ungewissheit eines Chamäleons in die nächsten Tage hinein und frage mich mit vielen, ob man das Virus, von dem keiner weiss was es ist und was es von uns will, bereits in sich trägt. Dann steigt mir die Wutröte ins Gesicht und ich hadere mit mir, und ich frage mich, wie es überhaupt so weit kommen konnte, dass ich plötzlich auf Viren abfahre. Vielleicht ist es ein Restchen von Angstsatz: man spürt einen Hauch von Halsschmerzen und wechselt instant die Gesichtsfarbe. Etwas Fieber und Schüttelfrost und schon stolpert man über jeden Kiesel, der auf dem Kreuzpfad liegt (jener Pfad auf dem man für gewöhnlich zu Kreuze kriecht). Die Jolle kentert und man fragt sich, ob das zu überleben ist.

Vermutlich geht’s mir wie vielen von euch auch; mich dünkt, es reicht so allmählich. Das Ganze grenzt an ein jegliche Lächerlichkeit überbietendes Narren Schauspiel. Was will es, das Virus? Lass hören, was führst du im Schilde? Du schweigst? Warum? Heisst das, es ist dir scheissegal oder bedeutet es, dass du selber nicht weisst, was du da tust? Du nervst, ich sagte es schon; du bist unfair: wir sind gross, du kannst uns sehen und bespringen, ganz wie es dir behagt; du bist klein, so mikroskopisch winzig, dass wir dich nicht ohne den Einsatz von kostspieligem Equipment jagen können. Und ja, ich mag dich nicht und wünsche dich zum Teufel.

Du trägst die Kraft in dir, uns zu verändern, einzeln und als Gesellschaft. Für ein Nichts von Etwas, dem wir scheissegal sind und das selber nicht weiss, was es tut, vermagst du für meinen Geschmack entschieden zu viel. Hockst gelangweilt, mit gepackten Koffern abreisebereit in irgendeinem vom Kitzel gereizten Nasenloch und wartest auf den nächsten Kick. Flieg du Minikolibri und schlag kopfüber auf der nächsten Glasscheibe auf, dass sich dein Schnabel dir tief in dein bestimmt hübsches Köpfchen bohre. Du siehst, ich mag dich definitiv nicht und wünsche dir nur das Schlech-teste.

Vielleicht lachst du ja jetzt gerade laut heraus und denkst, «ja, lass dich testen! Irgendwas stimmt fraglos nicht mit dir.» Mir dreht sich der Magen – machst einen übelgelaunten Menschen aus mir, lähmst meinen Körper und fesselst mein Denken. Ich dreh mich im Kreis wie ein Esel um den Mahlstein. Alles was dabei geschieht, ist schiere Folter, die mir erklärt, dies sei die Wiederkehr des Immergleichen. Ich warne dich, übertreib es bloss nicht. Ich ertrag es nur schlecht, wenn man mich gezielt klein macht und über mich lacht. Gib es zu, das ist es doch, was du vor allem liebst und bei uns suchst. Womöglich erträgst auch du uns nicht. Es ist zum Verzweifeln, ich dreh mich im Kreis – wie kann etwas so Kleines nur so viel Macht über uns haben?

Du hast was von einem einfältigen Puzzleteilchen an dir. Bist stur und starr und umarmst nur inniglich, wer zu dir passt. Und das sind nicht mal viele, maximal vier oder fünf andere Teilchen pro Spiel. Und du willst ein Spreader sein. Schöne neue Welt. Euch allen gemeinsam ist die Bleichheit und die Farbe Weiss, so dass sich zum Schluss der Mühe des Suchens und Forschens nicht einmal ein aussagekräftiges oder zumindest gefälliges Bild ergeben wird. Als Bild nicht zu gebrauchen, stumm wie ein Fisch und kauernd in erhabenem Schweigen – kein Weg führt daran vorbei, die Welt neu zu erfinden, die du gerade zerstörst. Ich habe es ja immer schon gedacht und jetzt weiss ich auch warum, ich mochte Puzzles wirklich noch nie. Wenigstens das habe ich dir voraus.

Gibt es neben deiner unbändigen Zerstörerwut, die dich treib, noch etwas Anderes das du kannst? Ich glaube nicht, denn Denken ist nicht dein Ding. So lass uns wenigstens aussen vor und stürze dich auf Ratten, Fledermäuse und verwandtes Geschmeiss. Aber verrate uns zumindest eines: wie lange willst du noch bleiben? Geht es um uns, stehen wir dir im Weg? Wo führt dieser Weg dich hin – lediglich durch uns hindurch und über uns hinaus? Ich verstehe, der Weg ist das Ziel; und dein ist der Weg, die Herrlichkeit und das Ziel. Deine Definition der Dreifaltigkeit! Uns bestimmt der Pantheismus und die Pandemie, ich rate dir, geh schleunigst zur Beichte und erleichtere deine Seele, sofern in dieser Winzigkeit von Nichts sowas Kostbares überhaupt ein Plätzchen gefunden hat.

Gibt es denn nirgends in diesem Multiversum einen zu diesem vergleichbar bewohnbaren Ort, an den du ausweichen könntest. Frag mal bei der NASA nach. Das Spekulative war zwar noch nie meine Stärke, aber jetzt, wo es ums Ganze geht, ums Überleben, da bin ich mir beinahe sicher, dass es da draussen im sternenverseuchten Nachthimmel noch andere, für dich lebenswertere Planeten gibt, auf denen du dein kopfloses Spielchen weitertreiben könntest. Aber klar, du schweigst mit den Äonen um die Wette. Es würde uns beiden wirklich weiterhelfen, wenn ich wüsste, dass du meine Sprache sprichst. Ich leg dich jetzt unter ein Elektronenmikroskop und du nickst gefälligst mit dem Kopf, wenn du mich verstanden hast.

Das glaub ich jetzt aber nicht. Alles was ich wahrnehmen kann, sind ein Augenpaar, das mich anstarrt, so wie ich es. Genauso gut könnte ich vor einen Spiegel stehen und einen Kerl anstarren, der das Gleiche tut wie ich, nur andersrum. Heiliges Kanonenrohr, was sagt der Quantenphysiker dazu? Jetzt sind wir gar noch miteinander verschränkt. Ich bin zutiefst schockiert. Ich brauch jetzt einen Quantensprung, ein schwarzes Loch, einen doppelten Whisky oder die Zerschlagung meines Wahns. Besser noch, ich geb jetzt endlich Ruh, dann lässt es auch mich in Ruhe. Vielleicht dachte sich schon Goethe damals Ähnliches, als er schrieb, «über allen Gipfeln ist Ruh». Und ich teile auch meine derzeitige Gemütsverfassung mit ihm: «ach, ich bin des Treibens müde! » Ich hoffe, das bist auch du.

Wenn ich nicht habe, was mir fehlt, dann gehört mir, was ich bin. Und das ist wohl kaum mehr als ein leises Husten im Flur. Fare well my dear und verzeihe mir.

Veröffentlicht von Proteus on fire

Freischaffender Feuilletonist

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