Knopf drücken oder weiterblättern

Schau dir diesen keck eleganten Sonnenanbeter. Was kümmern ihn die Wirren der Menschenwelt. Und tritt ihm einer auf den Schwanz, dann lässt er sich einfach einen neuen nachwachsen.

Zeitunglesen ist was für ältere Menschen oder solche, die zu viel oder zu lange Pause haben oder auch sonst nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen. Das war wohl nicht immer schon so. Ich habe mir das in den letzten Jahren zurechtgelegt, weil mich die Inhalte beim Durchschmökern meist langweilten. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass ich nach 15 Jahren Journalismus die Beschönigungen und Tatsachenverunreinigungen satt hatte. Investigativer Journalismus? Mal abwarten und horchen, was der nächste grosse Inseratenkunde dazu sagt.

Investigativ ja, aber nur dort wo es keinen kratzt. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich nie für Zeitungen geschrieben hätte. Tut aber jetzt wenig zur Sache. Damals, als ich als Redaktor tätig war, schrieb ich täglich viel, redigierte Artikel für die nächste Ausgabe und schlug mich mit Fotos und Platzierungsfragen für Inserate herum. Ich las die Zeitung gewissermaßen nicht nur einmal, sondern gleich zweimal – bei der Entstehung und dann noch einmal nach der Auslieferung.

Im Unterschied zu früher blättere ich heute die Zeitung nur noch kurz durch. Habe die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben, dabei zufällig mal doch noch auf ein interessantes Newsschnäppchen zu stoßen. Und wenn andere krampfhaft versuchen, sich das Rauchen abzugewöhnen, übe ich mich zunehmend stärker in strikter Medienabstinenz. Warum nur?

Bin etwas frustriert, da es mir scheint, als ob sich die Redaktionen dieser Welt darauf geeinigt hätten, einander gegenseitig die Arbeit zu erleichtern. Was morgen veröffentlicht werden soll, wird abwechslungsweise nur noch von einer Redaktion aufbereitet oder man holt sich die Meldungen gleich alle von der Agentur. Einer tut seinen Job und die anderen profitieren davon. Vermutlich hatten sie inzwischen bemerkt, dass es ohnehin keinen markanten Unterschied macht, wer sich der News-Aufarbeitung annahm. Sie alle schreiben unisono, als wären sie die Mitglieder eines gemischten Chores – Männer eine Oktave tiefer, Frauen eine bis zwei höher. Und alle kleben am selben Text.

Zurzeit übt man sich, so mein Eindruck, in den Medien vorab im Rechnen, der Statistik im Besonderen. Einige Journalisten und Journalistinnen entpuppen dich dabei überraschender Weise als wahre Zahlenjongleure. Da es aber nicht so viele Menschen gibt, die ein Flair für Statistik haben, kann und darf man sich als Journalist schon mal verschreiben oder mit falschen Werten hantieren. Bei so viel Halbwissen merkt ja eh keiner etwas. Die Zahlen stammen aus behördlichen Quellen, dann müssen sie stimmen. Und wie es das Glück will, weiß jeder da noch eine Kleinigkeit, ein kurzes Wenn oder ein gequältes Aber, beizutragen. Und als Gesamteindruck muss man festhalten, dass wegen der verwirrend vielen Variablen das Virus beim Berechnen irgendwo zwischen den Zeilen verloren gegangen ist.

Ich verstehe das. Irgendwann gehen auch dem einfallsreichsten Schreiberling in der Behandlung von Corona die Ideen aus. Und dann ist man froh, wenn man seine alten Mathematikkenntnisse auspacken darf. So macht das wenigstens einen Sinn, dass man sich mal damit abgemüht hatte. Ich hoffe doch sehr, dass diese Masche Schule macht und künftig jede Grippe uns in dieser Form nähergebracht wird. Als extra Hinweis, man könnte in künftigen Ausgaben auch den chemischen Aspekt von Viren etwas ausführlicher darstellen. Hopp hopp und hurtig, holt eure Chemiebücher aus dem Schrank und übt insgeheim schon mal.

Bedenkt man es richtig, ist es schon erstaunlich, wie repetitiv unsere Maßnahmen im Kampf gegen eine Infizierung sind: Maske überstülpen, Distanz halten, mal 2 Meter, 1 Meter 50, Hygiene und nochmals Hygiene und dann das Ganze von vorne. Und bei Anlässen dürfen sich die Leute zwar versammeln, aber abgestuft: nicht mehr als 5 Leute, dann mal 10, nachher 30, vielleicht auch 50, eventuell 100 und bei entsprechender Baugröße des Saals auch mal 300 oder gar 1000. Jeder darf sich da die passende Zahl selber aussuchen. Denn dieses Chaos überblickt eh keiner mehr.

Auch Corona selbst ist in besonderem Masse repetitionsbewusst, attackiert es uns doch unerbittlich Welle um Welle, und es ist kein Ende abzusehen, als hätten wir es ausgedachter Weise mit einem Naturphänomen wie Ebbe und Flut zu tun. Seit nunmehr 6 Monaten zeigen sich die Behörden im Umgang mit Corona, sehr zur Freude aller phantasielosen Medienschaffenden, unglaublich kreativ. Fast täglich werden uns neue Aspekte oder Teilaspekte vorgestreckt, wobei dann die verschiedensten Theorien und Maßnahmen daraus entwickelt werden. Wenigstens braucht man sich dabei als mediales Individuum keine Sorgen darum zu machen, womit morgen das Blatt gefüllt werden will. Und selbst die Sommerpause, sehr zu meinem Leidwesen, ist nicht wirklich von einer Pause geprägt gewesen. Keine sauren Gurken also; und das sonore Geplapper geht munter weiter, als wollte man uns mantramässig in den Schlaf reden.

Bin mal gespannt, wie lange man seine Newskonsumenten mit diesen Gute-Nacht-Geschichten noch bei der Stange halten kann. Es müsste doch jedem klarwerden, dass wir auf diesem Weg alle zu sogenannten Aluhutträgern und Covidioten erzogen werden. Und hinterher, um uns gänzlich zu verunsichern und uns das letzte Restchen an Contenance zu rauben, wirft man uns unglaublicher Weise das vor, was sie uns selber repetierend anerzogen haben. Lernen ist schliesslich eine Frage des Wiederholens.

Hei Leute wacht auf! Das kann man sich doch unmöglich gefallen lassen. Menschen, die uns zu Tode argumentieren oder zumindest müde reden, sind mehr als nur zum Gähnen. Da gibt es nur noch eines: sie schnell zum Schweigen bringen, sei es durch einen gezielten Knopfdruck auf den Aus-Knopf oder mittels schnellem Weiterblättern.

Veröffentlicht von Proteus on fire

Freischaffender Feuilletonist

2 Kommentare zu „Knopf drücken oder weiterblättern

  1. Covidioten ist super! Überhaupt spricht mir das alles aus dem Herzen, und ich habe bloss ein Problem: Ich lese ja schon so lange keine Zeitung mehr; ich kann also unmöglich behaupten, die Covidioten seien daran schuld. Aber etwas möcht ich noch anhängen: Es gibt immer mehr Menschen, die keine Zeitung lesen, und auch nicht fernsehen, und das macht anscheinend den „Verantwortlichen“ schon langsam Sorgen. Kürzlich hab ich aus Neugierde an einer Umfrage der Uni Bern über die verschiedenen Medien und ihre Benutzung teilgenommen und habe den Interviewer gleich gefragt, wer denn an den Umfrageergebnissen ein Interesse habe und warum. Und es war also nicht ein Telecom-Betrieb, ja überhaupt nichts Kommerzielles, sondern bloss – der Staat, der wissen wollte, wie er die Leute noch erreicht. – Ja, und es war mir ein grosses Vergnügen, ihm dann zu erläutern, dass in unserer 4-köpfigen WG keiner den Fernseher benutzt, obwohl Billag natürlich bezahlt wurde und das Fernsehabo gratis im Internetvertrag mit drin ist. Nun, nach Zeitungen mich zu fragen war wohl nicht sein Auftrag, aber dass die kaum jemand liest, wissen sie wohl auch beim Bund schon länger. Gäbe es nicht diese grauenhaften Durchsagen in Migros und Coop, die im Viertelstundentakt „Abstand“ von unsern Mitmenschen verlangen, so hätten wir hier im Thurgau wohl Covid 19 schon lange vergessen. 🙂

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    1. Danke für deinen wohlwollenden Beitrag.. Du liest keine Zeitungen? Schon lange nicht? Gut, da hast du vielen von uns was voraus. Nur um einem allfälligen Missverständnis vorzubeugen, der Begriff „Covidioten“ stammt nicht von mir. Ich bin auf ihn zum ersten Mal im Zusammenhang mit den Berichterstattungen zu den Berliner Protestkundgebungen gestossen. Aber er hat mir spontan gefallen, da er sich auf beide Propagandalager anwenden lässt.

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