Von Qanon und anderen Endlosgeschichten

„Das Leben war herrlich, die Landschaft phänomenal“

Mein Sohn würde jetzt sagen, „im Moment drehen grad alle am Rad“. Meint: viele Menschen scheinen verwirrt und leicht durchgedreht oder wissen nicht, wann dumm am dümmsten ist. Man könnte jetzt einwenden: klar kein Wunder bei dem ganzen Corona-Theater, das da so verlässlich und doch immer wieder überraschungsgeladen vor unseren Augen neu inszeniert und am Pandemie Skript weitergesponnen wird. Wie heißt die Serie doch gleich? Ach ja, „und immer wieder besucht uns Covid“? Als wär‘s die Geschichte einer zerstrittenen Familie auf der Suche nach Harmonie und Eintracht. Und keiner in der tollen Stadt kann helfen, ein Held wird dringend gesucht.

Natürlich ist jeder in dem Stück ein Held, gibt sein Bestes und versucht auf nicht unbescheidene Art die Dinge in die Heils-Richtung zu lenken. Die Bösen gibt’s aber auch; es sind dies der Bürgermeister und seine von ihm rekrutierten Helfershelfer. Man weiss nicht wie es ausgehen wird, gewinnen die Guten oder die Bösen? Folge um Folge leiden wir mit den Beteiligten und ihren immer neuen Schicksalsschlägen. Aber leider werden wir stets von neuem enttäuscht und müssen uns mit ansehen, wie die Guten vermeintlich kurz vor der Versöhnung von einem durchtriebenen Ränkespiel der Handlanger des Teufels abermals auseinander gespült werden und in einem Sturm der Verzweiflung von Emotionen verschlungen unter zu gehen drohen.

Da wollen zwei liebende Herzen sich küssen, und schon erscheint ein Verkehrspolizist und drückt den beiden einen Strafzettel wegen Beamtenbeleidigung in die Hand und eine Maske ins Gesicht. Zwei andere gehen Hand in Hand am Boulevard der feuchten Einkaufsträume flanieren, da taucht aus einer Seitengasse eine wilde Horde Maskierter auf. Sie reißen das Paar gewaltsam auseinander und vertreiben sie mit derben Fußtritten in verschiedene Himmelsrichtungen. Die Empörung ist riesig. Dagegen muss man sich auflehnen. Geht doch gar nicht. Wer lässt sich denn freiwillig und widerstandlos so behandeln! Und wo bleibt die Polizei? Doch halt, nicht so vorschnell und kopflos. Es gibt jetzt gegen fast alles eine Impfung. Endlich.

Dann kehrt Ruhe ein. Auf den Straßen patrouillieren fast nur noch Uniformierte. An den Kreuzungen stehen Panzerfahrzeuge in Wartestellung. Von Zeit zu Zeit hallen Gewehrsalven durch die Häuserschluchten. Über Brücken, großen Plätzen, bei Bahnhöfen, Flughäfen und weiß der Kuckuck noch, kreisen Helikopter, versprühen Wolken von sedierenden Aerosolen in die ölige Luft. Und von Zeit zu Zeit jagen mit ohrenbetäubendem Lärm Aufklärungs- und Abfangjäger durch den Luftraum der Stadt. „Manöver“ poppt über den großen Leuchttafeln auf. Gespenstisch fürwahr. Wer noch zu flüchten vermag, der versucht es. Hurtig, schnell! Rennt zum Bankomat, um sich mit Geld einzudecken; aber wisst ihr was, der Geldautomat zieht alle Karten automatisch ein und an der Tür steht auf gelben Klebern geschrieben „Auf unbestimmte Zeit geschlossen“. Was für ein Dilemma!

Man weicht aus, braucht Rat, Verständnishilfen, will dazu in die alternativen Medien eintauchen und möchte die einschlägigen Youtube-Kanäle im Internet aufrufen. Der Erklärungsbedarf ist riesig. Dem Deep State passt das heut grad nicht. Man dreht uns den Strom ab, denn digital geht gar nicht – doch da lachen wir nur, wozu haben wir teure Laptops mit toller Batterieleistung gekauft. Und damit hängen wir uns nun erwartungsfroh ins Netz, um nach Gleichgesinnten, nach Ideen und Strategien zu surfen. Irgendeinen Ort gibt’s immer, wo man hin flüchten kann, um sich wieder sicher zu fühlen. Aber leider, und das bricht uns endgültig das Genick, einloggen geht nicht. Da hat man uns eben auch das Internet geklaut und abgedreht.

Jetzt scheint alles zerstört und nichts ist geblieben, woran wir unsere Person, unseren Stolz, die guten Gefühle und die Würde hängen könnten. Ohne Geld, ohne Familie, ohne Freunde und Gleichgesinnte – wer sind wir da noch. Die Arbeit ist futsch, die Fabriken geschlossen und die Suppenküche an der Ecke wurde sabotiert. Schluss mit der Nächstenliebe! Es grassiert nur noch die Angst und nackte Verzweiflung. Was soll aus uns werden? Viele ertragen dieses Elend nicht länger und bringen sich um. Andere, längst schon geschwächt und hoffnungslos, werden krank und sterben an der Seuche. Und besonders zahlreich sind die Verwirrten und Irren, die gehetzt und kreischend durch die Straßen rennen, unberechenbar sind und alles nur noch erschweren, bis sie von bewaffneten Ruhestiftern niedergestreckt werden.

Welch schreckliche Dystopie! „Z-Nation“, „Blacklist“, „Black Mirror“ und „The Walking Deads“ sind sanft-süße Gute-Nacht-Geschichten dagegen. Man fragt sich nachgerade ernüchtert, wer hat sich diesen Bockmist bloß ausgedacht. Und warum zum Teufel, ziehen wir uns den Quatsch denn rein? Alles was es von uns braucht ist lediglich, den Ausschalter zu betätigen

Nur gut, gibt’s da noch die anderen, nicht minder erbaulichen Endlosgeschichten: etwa die von Trump und den aufrechten Patrioten und ihren unzähligen Followern unter der Orakelführung des allwissenden Qanon. Der Junge hat‘s echt drauf, weiß zu allem stets das passende Zitat und findet ermunternde Worte an die Adresse der Patrioten. „Seid gut aufgehoben und vorbereitet“. Bloß gut hat Trump diesen Q auf seiner Seite.

Da erinnere ich mich an eine längere Reise in jüngeren Jahren, zu einer Zeit, als alles noch normal war. Wir dümpelten mit einem Pontiac kreuz und quer durch die USA. Das Leben war herrlich, die Musik überwältigend und die Landschaft phänomenal. Und jeden Abend, wenn es Zeit wurde in den Schlafsack zu kriechen, erzählte ich meinem gerade mal sechsjährigen Sohn eine Geschichte mit unzähligen Folgen. Sie handelte schlicht vom Büsi und vom Kater und ihren unglaublichen Erlebnissen. Offenbar war ich gut darin, denn am anderen Tag schafften es die beiden pelzigen Streuner und ihre lustigen Abenteuer während der Weiterfahrt zum Gesprächsthema Nummer 1 zu avancieren.

Mir scheint, wir brauchen solche Geschichten. Egal wer sie erzählt und ungeachtet des Inhalts, Hauptsache man dichtet an ihnen weiter und spinnt sie solange fort, bis es eine neue Geschichte braucht, die uns fortan zu fesseln vermag. Wir brauchen das, sonst wird’s langweilig.

Veröffentlicht von Proteus on fire

Freischaffender Feuilletonist

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