An den Spielen 2020 in Japan sollte Surfen zum ersten Mal als olympische Disziplin durchgeführt werden. Corona hat dies bekannter Weise vereitelt und hangelt sich seinerseits nun kunstvoll surfend von Mainstream-Welle zur nächsten und übernächsten Katastrophen-Welle. Aber keine Bange, wir leben im Zeitalter des Wassermanns, da gehören solche Hiobsbotschaften mit dazu. Wellenreiten scheint mir da die passende Fortbewegungsart für derart unruhige Zeiten zu sein. «Aquarius, Aquarius», Refrain artig, wie ein Mantra, verbreitete das Musical Hair schon 1968 äusserst erfolgreich – quasi als Superspreader – die Botschaft von den neuen, Hoffnung verheißenden Qualitäten des aufsteigenden Äons.
Harmonie und gegenseitiges Verständnis verspricht uns die Spiritualität des Wassermann-Zeitalters, die geprägt wird durch die Planeten Uranus, Neptun und Pluto. Das zu glauben fällt zurzeit noch schwer. Aber ja, das neue Zeitalter ist noch jung und hat noch zwei Jahrtausende Zeit, sich zu entwickeln und seine mystischen Kräfte zu entfalten. Und wie inzwischen alle wissen, kennt jede Infektion ihre spezifische Inkubationszeit. Die Veränderung wird stattfinden – der Wellen folgen noch viele.
Sympathie und Vertrauen im Überfluss zählen zu den tragenden Eigenschaften des verheißenen Zeitalter-Erregers. Leider sind auch in dieser Hinsicht nachvollziehbare Zweifel angebracht. Doch halt! Nicht so vorschnell, denn nebst der Inkubationszeit gibt es schließlich noch so etwas wie Viren-Resistenz. Vermutlich sind bisher genau diese Resistenten infiziert worden. Da gibt es wohl mehr von denen als man ahnt. Vielleicht liegt es nur an der unglaublichen Distanz, welche die Gesund-Strahlen der Sterne und Planten zur Erde zurücklegen. Das dauert, unser Eins Werden mit dem planetarischen Universum muss noch etwas warten.
Machen wir es den Surfern gleich. Lasst uns geduldig auf die eine kosmische Welle warten, die uns von allen Unwahrheiten reinigen wird und uns goldige Visionen einer neuen Gesellschaft einimpft. Dieser kosmischen Impfwelle, frei von pharmazeutischen Interessen, würden wir trauen und erwartungsfroh zum wilden Ritt in ein offenbarungsreiches Spiegellabyrinth aufspringen. Und so würden wir dann endlich befreit. Zumindest unser Geist käme in den Genuss dieses erstrebenswerten Qualitäts-Bonus.
Ist mir alles dennoch kein Ansporn, denn die Welle lässt auf sich warten, und das von endlosem Frieden und allumfassender Liebe geprägte Weltenrund muss sich noch etwas in sich schaukeln und länger im Kreise drehen. Ich bin ratlos und verspüre eine erste Enttäuschungswelle, die mich kältend durchspült. Hat man uns belogen? Gibt es diesen universellen Geist? Ich frage mich durch und konsultiere Experten – nicht nur einen. Die Resonanz ist groß und die Meinungen fast so euphorisch wie die gesungene Botschaft des Musicals.
Das All mit seinen elektromagnetischen Wellen habe uns im Griff. Jeder Planet verfüge über seine eigenen mystischen Kräfte. Dieser heilsame Strahlencocktail beeinflusse uns direkt und indirekt. Es komme jetzt einzig und allein noch auf den Menschen an, wie er darauf reagiert. Positiverweise würde ihn die Wellenmetrik aus seinem Egozentrismus schleudern, was ihn öffnen werde für jegliche denkbare Form von Transfiguration. Nur so nebenbei, ich mag sie ebenso wenig, diese Altarredner, wie ihre Verwandten, das Regierungsvolk. Doch weiter im Text!
Einig sind sich die Allforscher darin, dass der jetzige Mensch noch weit von seinem göttlichen Ziel der Entwicklung weg sei. Das ist dann gleichsam die kosmisch begründete Entschuldigung, dass die Welt noch sehr im Argen liegt und vornehmlich unter der Ungebildetheit, Bequemlichkeit, Gier und persönlichen Habsucht, vieler der menschlichen Spezies leidet.
Da gebe es also noch viel Potential nach oben wird mir bedeutet. Hier helfe das herzreinigende Feuer des Uranus, die unser Denken ordnende und erhellende Wasserkraft des Neptuns sowie die Versorgung der dafür benötigten Kräfte durch Pluto. Jetzt mache ich mir wirklich große Sorgen.
«Aquarius, Aquarius», wie viele Wellen werden wir noch abwarten müssen, bis eine stark genug sein wird, uns hart im stürmischen Wind reitend, aus unserer Totenstarre zu wecken und gleichgewichtig zum Dasein transzendieren zu lassen. Ich weiß, ich wiederhole mich Refrain artig, wir haben noch Zeit, denn Poseidon hat seine Regentschaft eben erst angetreten und selbst Rom sei auch nicht nur an einem Tag erbaut worden.
Schluss damit, wir sollten uns nicht länger mit Ausreden hinhalten. Wir wissen es besser. Wir vermögen aus eigenem Antrieb Visionen einer neuen Gesellschaftsordnung zu entwerfen. Dazu benötigt man weder kosmische noch irdische Impfstoffe. Dazu reicht ein warmes Herz, ein gesunder Verstand, etwas Verzicht und Gerechtigkeitssinn sowie ein Quäntchen Einfühlungsvermögen.
«Aquarius, Aquarius», am Ende steht es um die frohe Botschaft doch gar nicht so schlecht. Die Hoffnung stirbt zuletzt, denn eine fade Botschaft hofft immer auf ein starkes Ende.