Pseudonym oder Maskeradenspiel

Wenn schon keine Götterbild so doch wenigstens eine symbolisierende Darstellung

Proteus ist gemäß der griechischen Mythologie ein Meeresgott. Genauer, man sagt von ihm, dass er der Sohn des Poseidons sei. Zu seinen Talenten zählt die Weissagung. Und ehrlich, wer von uns würde nicht gerne mal einen Blick in die nähere Zukunft werfen, um zu erfahren, was uns/mich erwartet.

Da vermutlich schon die alten Griechen liberale Interessen verfolgten, gab es damals schon nichts gratis. Zumindest nicht von Proteus. Wer seine Seherdienste in Anspruch zu nehmen wünschte, sah sich gezwungen gegen ihn zu kämpfen und zu gewinnen. Das kam einem Lotterieverfahren gleich, denn von ihm gab es keine Bilder.

Unvorstellbar für uns Kinder des Zeitalters der zügellosen Selbstdarstellung. Ja nicht mal einen Werbebericht seines Könnens findet man. Wie dumm ist das denn aus heutiger Sicht! Man kann sich im Vorfeld eines Kampfes nicht einmal eine Vorstellung von der Person machen, gegen die man antritt. Ist er jung, alt, attraktiv, grimmig, verfügt er über besondere Kräfte? Wer weiß. Aber halt doch! Proteus ist eben ein Gott. Und wie die meisten Götter will er nicht, dass man sich ein Bild von ihm macht. Nicht jeder ist schließlich ein Narziss (Narkissos) und der hübsche Abkömmling eines Flussgottes.

Bei Proteus liegt die Wurzel des nicht Vorhandenseins eines Selfies aber tiefer. Er ist gewissermaßen der Urvater aller Formwandler. Er kann sich mit Leichtigkeit hinter tausend Gestalten verbergen. Und das bedeutet nun mal, dass man nie sicher weiß, wen man gerade vor sich hat. Mit Ozzy gefragt eingangs des Songs Black Sabbath: „What is this that stands before me? Figure in black which points at me…“ Ist es nun Proteus, eine Schlange, ein Baum, das Meer oder das Feuer? Ja selbst in Feuer vermag sich mein Protege nämlich zu verwandeln. Und wer von uns ist schon so listig wie Menelaus, dem es gelungen sein soll, Proteus gefangen zu nehmen und so zur Weissagung zu zwingen.

Vielleicht versteht man nun die Symbolik, die hinter dem Titel „Proteus on fire“ steckt. Unglaublich diese metaphorische Komplexität. Er kann alles sein und ist eigentlich nichts. Psychologisch gesehen ist er der Inbegriff des blossen Scheins (Maja), der Täuschung und der zeitlosen Wandelbarkeit. Und ehrlich, in etwa führt doch jeder von uns auf seine Art dieses Maskeradenspiel.

Veröffentlicht von Proteus on fire

Freischaffender Feuilletonist

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